Verlust und Trost, Verzweiflung und Hoffnung: Trauer hat ganz verschiedene Gesichter. Einsamkeit und Ausgrenzung, Mobbing und Herzinfarkt, Arbeitslosigkeit und Tod. Diese Last und diese Gefühle vor Gott zu bringen und neue Kraft zu schöpfen – ein solcher Ort möchte die neugestaltete Krypta unter der Basilika St. Clemens sein.
Mit einem feierlichen Gottesdienst wurde die Krypta nun wieder eröffnet. „Was tröstet Menschen in Trauer, Menschen, die mit einer schmerzlichen Lücke leben müssen?“, fragt Propst Martin Tenge in der Predigt. Eine Antwort: „Menschen, die zuhören, die mittragen, die mit aushalten und keine schnellen Antworten geben.“ Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem ein „Wort der Hoffnung“ benötigt wird: „Damit die Trauer nicht das letzte Wort hat.“
Mit der neu gestalteten Krypta „wollen wir einen Ort bereithalten, in dem beides möglich ist: der Blick auf die Trauer und der Blick auf die Hoffnung.“ Im Gottesdienst segnet Tenge den Altar und den Ambo – das Pult, am dem Lesungen aus der Bibel oder Fürbitten vorgetragen werden.
Dieser Tisch des Wortes und der Tisch des Mahles, der Altar, sind eingebunden ist das Gesamtkonzept der Krypta. Beide sind aus Stahl, aber vom Rottweiler Kirchenkünstler Tobias Kammerer mit einer Rostschicht überzogen worden – als Sinnbild für die Spannung von Ewig- und Vergänglichkeit. Zudem bilden Altar und Ambo selbst eine Einheit. Sie sind aus einem Stück gearbeitet.
Zwei große Achsen ziehen sich durch sie langestreckte Unterkirche der Basilika St. Clemens. Die verschiedenen Querachsen wurde von Kammerer und dem betreuenden Architekten Gert Stürken als Perspektive der Trauer gestaltet. Links am Eingang in die Krypta fällt der Blick auf eine in Blautönen gehaltene Wand. Darauf hat Kammerer in filigraner Handschrift Worte wie „Krankheit“, „Trennung“, „Belästigung“ und „wohnungslos“ gezeichnet. Ebenfalls in einem Blauton. Die Wahl der Farbe kommt nicht von ungefähr. Blau ist für Kammerer die Farbe der Gottesmutter Maria – „der großen Trösterin“, wie er sagt. Eingebunden in das Bild ist eine Skulptur des leidenden Jesus.
Gegenüber der bereits mit einem gelben Hoffnungsschimmer durchwirkten Bild der Trauerworte befindet der „Epitaph des 21 Jahrhundert“. Dabei hat der Künstler Uwe Spiekermann an einen mit biblischen Worten bearbeiteten mannshohen Grabstein einen Monitor montiert. Auf diesem Bildschirm sind zum einen in Endlosschleife die Namen der 39 Menschen zu lesen, die im 18. Jahrhundert in der Krypta bestattet wurden und deren Gebeine hier noch liegen. Zum anderen wird diese Liste künftig um die Namen von obdachlosen oder anonym Bestatteten ergänzt werden. So sollen ihre Namen vor dem Vergessen bewahrt werden. Weitere Namen von Verstorbenen können Angehörige in ein spezielles Buch eintragen – und auch über den Epitaph sichtbar machen.
Weitere Trauerachsen verbinden einzelne Stationen zu einem Trauerweg, zum Beispiel eine Marienstatue oder der Torso eines Kruzifixes, dem Kopf und Arme fehlen. Die Figur gehörte zu einer Skulpturengruppe, die im zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört wurde. Jede Station bietet einen Impuls, der eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen.
Die Längsperspektive der Krypta ist die Hoffnungsachse. Sie lenkt den Blick über Altar und Ambo zum leuchtenden Auferstehungsbild, das ebenfalls von Tobias Kammerer geschaffen wurde. Genau in der Mitte der Krypta findet sich in der Decke ein kleines kreisrundes Loch, mit leichten Farben ummalt. Durch diese mit Acrylglas versehene Öffnung fällt Licht aus der Oberkirche in die Krypta – der Durchbruch zum Himmel. „Wir hoffen mit dieser Krypta einen Ort mitten in Hannover geschaffen zu haben, der Stille und Trost bietet und einen Platz zum Nachdenken“, sagt Propst Martin Tenge. Kurz: „Ein Ort, der Menschen und dem Leben gut tut.“
Gut 700.000 Euro wurden für die Sanierung und die inhaltliche Gestaltung der Krypta aufgewendet. Den größten Anteil steuerte das Bistum Hildesheim bei. Auch eine große Erbschaft wie Spenden sind in das Projekt eingeflossen.
Die Krypta ist künftig von Montag bis Samstag von 9 bis 16 Uhr geöffnet, am Sonntag zu den Gottesdienstzeiten.